Thomas J. Kraus, «Grammatisches Problembewusstsein Als Regulativ Für Angemessene
Sprachbeurteilung . Das Beispiel Der
Griechischen Negation Und 2PETR», Vol. 14 (2001) 87-100
Language and style are
the inevitable starting points for evaluating and interpreting an
individual text. Thus, a profound orientation in the field of Greek
grammar has a regulating effect on all kinds of judgement of the character
of a NT text. With the help of the use of the Greek Negation in 2Peter and
the interpretation of 2:10 (pa=j ...
ou0 ...) as a semitism the benefit of a continuous involvement in
the usage and development of the Greek language can be demonstrated.
Moreover, such an involvement will help to unveil other features of an
author's capacity to express himself and
contribute to an overall assessment of a specific text.
Grammatisches Problembewusstsein als Regulativ für angemessene Sprachbeurteilung 89
sichtlich ist. Jedoch erfolgt die Einbindung auch unter Angleichung an
das Sprachvermögen wie den Stil des Verfassers dieses Textes wie etwa fol-
gendes Beispiel kurz zu illustrieren hilft: 2Petr 3,13 weist die stilistisch
bemerkenswerte chiastische Folge kainou;" de; oujranou;~ kai; gh'n kainh;n
... prosdokw`men aus, während Offb 21,1 ei\don oujrano;n kaino;n kai;
ghn kainhvn hat (vgl. LXX Jes 65,17; 66,22), wobei letzteres sich klar mit
`
der im Hebräischen üblichen attributiven Nachstellung der Adjektive
(vgl. BHS Jes 65,17; 66,22) in Relation setzen lässt.
Erst ein grammatisches Problembewusstsein und eine umfassende
Orientierung an den Strukturen und Facetten des damaligen Griechisch
werden hier vorsichtige und angemessene Werturteile ermöglichen 7.
Sprachphänomene kontextuell isoliert und voreingenommen zu betrach-
ten, führt jedoch nicht zum gewünschten Ziel. Es bedarf der Einbeziehung
einer umfassenden sprachlichen Gesamtbeurteilung des ganzen zugrunde
liegenden Textes, um Einzelphänomene adäquat einschätzen zu können.
Erst dann wird die Verifizierung oder Falsifizierung als Semitismus
(Aramaismus, Hebraismus) oder Septuagintaismus wirklich möglich. Für
die vorliegende Studie und pa'" ... ouj ... in 2Petr 2,10 bedeutet das: Ohne
eine Analyse der in 2Petr verwandten Formen der Verneinung vor dem
Hintergrund der grundsätzlichen Bedeutung und Verwendung der grie-
chischen Negation wird eine Einschätzung der angeführten Stelle ein
Urteil ohne Absicherung bleiben. Darüber hinaus stellt eine solche Analyse
weitere Indizien für eine umfassende sprachlich-stilistische Beschreibung
von 2Petr zur Verfügung, die dazu angetan sind, zur Beantwortung weiter-
führender einleitungswissenschaftlicher und exegetischer Fragestellungen
beizutragen. So führt die Frage eines potentiellen Semitismus in 2Petr 2,10
weit über deren bloße Beantwortung hinaus in den Bereich der generellen
Beurteilung der griechischen Negation einerseits und ihrer Verwendung
im zweiten Petrusbrief andererseits, letzteres sogar zu wichtigen Daten für
eine Gesamtbeurteilung von Stil und Sprachverwendung in 2Petr 8.
1. Die Negation im Griechischen – ein Überblick
Im Griechischen bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, einen
Sachverhalt zu verneinen. In vereinfachter Form bietet die folgende
Tabelle eine Ãœbersicht 9:
7
Dies versuchte ich anderenorts bereits ausführlich hinsichtlich des Nutzens für die
textkritische und interpretatorische Beurteilung eines Textstückes aufzuzeigen. Vgl.
Kraus, «Der Artikel im Griechischen», 260-272; Id., «Para; kurivou, para; kurivw/ oder
omit in 2Petr 2,11», ZNW 91 (2000) 265-273.
8
Kurz ging ich auf diese Problematik bei meiner Gesamtbeschreibung von 2Pet ein.
Vgl. Kraus, Sprachverwendung und Stilistik des 2. Petrusbriefes, 196-204.
9
Modifizierte Fassung eines bei M. Meier-Brügger, Griechische Sprachwissenschaft I:
Bibliographie, Einleitung; Syntax (SG 2241; Berlin-New York 1992) S 206,2 (109) abge-
druckten Schemas, das wiederum auf auf Ernst Risch zurückgeht.