Armin D. Baum, «Biographien im alttestamentlich-rabbinischen Stil. Zur Gattung der neutestamentlichen Evangelien», Vol. 94 (2013) 534-564
The New Testament Gospels exhibit an amalgam of biographical genre elements from Greco-Roman cultivated literature (Hochliteratur) and popular literature ('Kleinliteratur'), Old Testament historiography, and rabbinic literature. They display the least affinity with the erudite Bioi of Greco- Roman Hochliteratur (pace R. Burridge). Similarities with Greco-Roman popular lives are more evident. But M. Reiser’s thesis that the Gospels were influenced to an even greater degree by the biographical sections of Old Testament history books can be further strengthened. In addition, it is possible to demonstrate close affinities between the Gospels and the biographical components of rabbinic literature. Overall the four New Testament Gospels can be characterized as biographies of Jesus in Old Testament and Rabbinic style with comparatively slight Greco-Roman influences.
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BIOGRAPHIEN IM ALTTESTAMENTLICH-RABBINISCHEN STIL
― Der alttestamentliche Redestoff ist dem der Evangelien im
Umfang (40-65%) sowie in der Vorliebe für die direkte Rede und
den Dialog ähnlich 65.
― Das Stilniveau der Septuaginta bewegt sich auf der Ebene
der hellenistischen Normalprosa und entspricht damit dem der
Evangelien 66.
― Auf der Ebene der Kleinformen enthält das Alte Testament
einzelne Wunder- und Berufungsgeschichten, die denen der Evan-
gelien sehr ähnlich sind. Im alttestamentlichen Elija- und Elischa-
zyklus gibt es eine Reihe von Episoden, die den Episoden in den
Evangelien inhaltlich ähnlich sind.
Dazu gehört die Erzählung von der Berufung Elischas durch
Elija in 1 Kön 19,19-21. Von ganz ähnlichen Anforderungen Jesu
an seine potenziellen Nachfolger berichten zwei parallele Episoden
in Lk 9,59-60 und 9,61-62.
Auch die Erzählung von der Ölvermehrung durch Elischa in 2
Kön 4,1-7 hat eine synoptische Parallele. Inhaltlich eng verwandt
sind die synoptischen Brotvermehrungsgeschichten, besonders die
Episode von der Speisung der 4000 (Mt 15,32-38).
An zwei Stellen unterscheiden sich die neutestamentlichen von
den alttestamentlichen Biographien:
― Im Unterschied zum Lukasevangelium, das mit einem tech-
nischen Prolog eröffnet wird (Lk 1,1-4), und zum Johannesevan-
gelium, das mit technischen Epilogen schließt (Joh 20,30-31;
21,24-25), weisen die alttestamentlichen Geschichtsbücher keine
derartigen Paratexte auf. Diese stammen aus der griechisch-römi-
schen Literatur 67.
― Das Alte Testament kennt zwar biographische Berichte, die
in Geschichtswerke integriert sind, aber im Unterschied zum Neuen
65
Ibid.; S. BAR-EFRAT, Narrative Art in the Bible (JSOTSS 70/BiLiSe 17;
Sheffield 1989), 147; und A.D. BAUM, “Zu Funktion und Authentizität der
oratio recta. Hebräische und griechische Geschichtsschreibung im Ver-
gleichâ€, ZAW 115 (2003) 586-607.
66
L. RYDBECK, Fachprosa, vermeintliche Volkssprache und Neues Testa-
ment. Zur Beurteilung der sprachlichen Niveauunterschiede im nachklassi-
schen Griechisch (AUU – SGU 5; Uppsala 1967); REISER, Sprache, 29-33.
67
D. EARL, “Prologue-form in Ancient Historiographyâ€, ANRW I. 2.
(1972) 842-856; A.D. BAUM, “Lk 1,1-4 zwischen antiker Historiografie und
Fachprosa. Zum literaturgeschichtlichen Kontext des lukanischen Prologsâ€,
ZNW 101 (2010) 33-54.