Armin D. Baum, «Biographien im alttestamentlich-rabbinischen Stil. Zur Gattung der neutestamentlichen Evangelien», Vol. 94 (2013) 534-564
The New Testament Gospels exhibit an amalgam of biographical genre elements from Greco-Roman cultivated literature (Hochliteratur) and popular literature ('Kleinliteratur'), Old Testament historiography, and rabbinic literature. They display the least affinity with the erudite Bioi of Greco- Roman Hochliteratur (pace R. Burridge). Similarities with Greco-Roman popular lives are more evident. But M. Reiser’s thesis that the Gospels were influenced to an even greater degree by the biographical sections of Old Testament history books can be further strengthened. In addition, it is possible to demonstrate close affinities between the Gospels and the biographical components of rabbinic literature. Overall the four New Testament Gospels can be characterized as biographies of Jesus in Old Testament and Rabbinic style with comparatively slight Greco-Roman influences.
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BIOGRAPHIEN IM ALTTESTAMENTLICH-RABBINISCHEN STIL
In seiner Studie über den Schriftgelehrten Jochanan ben Zakkai (1.
Jh. n.Chr.) schrieb er, zu den neutestamentlichen Evangelien gebe
es “stilistisch keine genaueren Parallelen, als die Erinnerungen an
die Werke und Worte der Lehrer des ersten Jahrhunderts, wie sie
in der kasuistischen Literatur enthalten sind†70.
Philip Alexander meint, ein frühjüdisches Leben Eliezers “könnte
etwa so ausgesehen haben wie das Markusevangeliumâ€. Dass man
keine solchen Lebensbeschreibungen von Rabbinen verfasst hat,
dürfte Alexander zufolge einen Hauptgrund gehabt haben: “Dass Zen-
trum des rabbinischen Judentums war die Tora; das Zentrum des Chri-
stentums war die Person Jesu†71. Anders als im antiken Judentum,
wo biographische Einzelerzählungen lediglich als Illustrationsmaterial
für die Toradeutung verwendet wurden, dienten sie im frühen Chri-
stentum als Bausteine für eine Gesamtbiographie Jesu.
2. Die relative Nähe zur rabbinischen Traditionsliteratur
Die biographischen Einzeltexte der rabbinischen Traditionslite-
ratur teilen eine Reihe von stilistischen Merkmalen mit den neute-
stamentlichen Evangelien:
― Die rabbinische Traditionsliteratur ist ebenfalls “anonymâ€. 72
― Die rabbinische Erzähltechnik ist in höchstem Maße “episo-
dischâ€. Die Episoden stellen zum größten Teil inhaltlich geschlos-
sene Einheiten dar und dürften vor ihrer Integration in die
rabbinischen Schriftwerke separat existiert haben 73.
― Der Redestoff nimmt einen breiten Raum ein und erscheint
fast vollständig in oratio recta. “Im Hebräisch-Aramäischen … gibt
es die indirekte Rede kaum, ganz anders als im Lateinischen und
Griechischen†(72-73).
― Die biographischen Anekdoten bestehen zu einem erhebli-
chen Teil aus “Dialogen†74.
70
A. SCHLATTER, Jochanan Ben Zakkai, der Zeitgenosse der Apostel (Gü-
tersloh 1899) 8.
71
P.S. ALEXANDER, “Rabbinic Biography and the Biography of Jesus. A
Survey of the Evidenceâ€, Synoptic Studies (Hrsg. C.M. TUCKETT) (JSNTSS
7; Sheffield 1984) 19-50, hier 40-41.
72
NEUSNER, Why No Gospels, 70-72.
73
FIEBIG, Erzählungsstil, 108-109.
74
Ibid. 73, 89, 91 usw.; ALEXANDER, “Rabbinic Biographyâ€, 34-37.