Armin D. Baum, «Biographien im alttestamentlich-rabbinischen Stil. Zur Gattung der neutestamentlichen Evangelien», Vol. 94 (2013) 534-564
The New Testament Gospels exhibit an amalgam of biographical genre elements from Greco-Roman cultivated literature (Hochliteratur) and popular literature ('Kleinliteratur'), Old Testament historiography, and rabbinic literature. They display the least affinity with the erudite Bioi of Greco- Roman Hochliteratur (pace R. Burridge). Similarities with Greco-Roman popular lives are more evident. But M. Reiser’s thesis that the Gospels were influenced to an even greater degree by the biographical sections of Old Testament history books can be further strengthened. In addition, it is possible to demonstrate close affinities between the Gospels and the biographical components of rabbinic literature. Overall the four New Testament Gospels can be characterized as biographies of Jesus in Old Testament and Rabbinic style with comparatively slight Greco-Roman influences.
03_Biblica_Baum_Layout 1 16/12/13 12:27 Pagina 549
549
BIOGRAPHIEN IM ALTTESTAMENTLICH-RABBINISCHEN STIL
und 100 n.Chr. in Ägypten entstanden sein 47. Ihr Verfasser und die
Redaktoren späterer Fassungen bleiben anonym. Die Sprache der
Vita Aesopi ist sehr schlicht. Das Werk besteht zu einem erhebli-
chen Teil aus Einzelepisoden, die ursprünglich unabhängig existiert
haben dürften. Neueren Untersuchungen zufolge sind diese jedoch
nicht wahllos aneinander gereiht, sondern sorgfältig zu einem aus
fünf Teilen bestehenden biographischen Gesamtentwurf zusam-
mengefügt worden 48. Das “Leben Äsops†liebt die direkte Rede
und den natürlichen Dialog. Am ausführlichsten hat Lawrence
Wills die Evangelien mit dem “Leben Aesops†verglichen 49.
Marius Reiser hat die Evangelien mit dem “Leben Alexanders des
Großen†verglichen. Dessen griechische Fassung ist nach allgemei-
ner Ãœberzeugung im 3. Jahrhundert n.Chr. entstanden. Vom histori-
schen Alexander trennen dieses Werk somit sechs Jahrhunderte.
Seinen Stoff hat es aus zwei Hauptquellen geschöpft, einer roman-
haften Alexandergeschichte und einer Reihe pseudohistorischer
Briefe. Dieses Material wurde durch eigene Erfindungen ergänzt 50.
Ursprünglich dürfte der Alexanderroman anonym verfasst worden
sein. Nachträglich wurde er Callisthenes, dem Hofhistoriker Alex-
anders, zugeschrieben. Die Gesamterzählung setzt sich aus vielen
Einzelepisoden zusammen. Statt langer Reden, wie sie in der klassi-
schen Historiographie üblich sind, bedient der Alexanderroman sich
natürlicher Dialoge, die man im Werk eines Thucydides oder Poly-
bius vergeblich sucht. Das Sprachniveau entspricht in etwa dem des
Neuen Testaments. Einem attizistischen Ideal, dem etwa Josephus
nachstrebte, fühlte sich Pseudo-Callisthenes nicht verpflichtet. Er
wollte nicht gehobenen künstlerischen Ansprüchen genügen, sondern
wandte sich mit seinem Volksbuch an ein breites Publikum, das vor
allem unterhalten werden wollte. Nach Reiser bildet der Alexander-
roman in “Kompositions- und Erzähltechnik, Sprache und Stil†die
“vielleicht engste Analogie zu den Evangelien†51.
47
B.E. PERRY, Aesopica. Bd 1. Greek and Latin Texts (Urbana 1952) 22.
48
N. HOLZBERG, “Der Äsop-Romanâ€, Der Äsop-Roman. Motivgeschichte
und Erzählstruktur (Hrsg. ID.) (Classica Monacensia 6; Tübingen 1992) 31-75.
49
L.M. WILLS, The Quest of the Historical Gospel. Mark, John, and the
Origin of the Gospel Genre (London 1997) 23-50.
50
R. MERKELBACH, Die Quellen des griechischen Alexander-Romans
(München 21977) 20-92.
51
M. REISER, “Der Alexanderroman und das Markusevangeliumâ€, Mar-