Jacob Thiessen, «Zorndemonstration Gottes mit Heilsabsicht? Zur Problematik der Syntax und der Bedeutung von Römer 9,22-23», Vol. 23 (2010) 37-72
The syntax of Rom. 9:22-23 raises difficult questions and has very close implications with understanding the text. That’s why both aspects are examined in this paper. Rom. 9:22-23 is neither treated syntactically as anacoluthon nor understood as aposiopesis. It makes more sense to view the two verses to be a kind of consecutive clause used as a transition to the comments following. The syntactic difficulties are resolved, if the introducing "ei dé" is perceived as a “stereotype” (like "ei dé mé") in the sense of “truly, however” resp. “accordingly”, thus adopting the functions of a conjunction (cf. also Rom. 2:17). So, in Rom. 9:22f., Paul draws the conclusion from what he has discussed before (cf. Rom. 9:17ff.) and leads over to the thoughts following (cf. Rom. 9:24).
In the first segment of Rom. 9 (cf. Rom. 9:6ff.) Paul had stated why God being the initiator and author of Israel’s election has the right to judge the “unfaithful” in Israel, without making void his covenant promises for the people. In Rom. 9:24ff. the idea of the “extension” of God’s “salvational intention” to the Gentiles is added, whilst on the other hand the apostle points out that only a “remnant” of Israel will be saved. God’s longsuffering in his judgments aims at making his salvational intention known to Jews and Gentiles. Rom. 9:17 implies this notion already. God’s purpose in judging Pharaoh was to proclaim his “name” throughout all the earth. This purpose is more clearly exposed in Rom. 9:23, and from Rom. 9:24 on Paul stresses that now particularly the Gentiles can get to know this salvation of God.
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„wie?“ hinzugefügt.22 Die Antwort wird dem Kontext entsprechend
ergänzt im Sinn von: „[Wie, wenn Gott …,] dann hat er ein Recht dazu
und handelt nicht ungerecht.“ Dieses Verständnis übersieht m.E. jedoch,
dass das einleitende εἰ sich kaum auf das Partizip bezieht23, sondern
– wenn schon, dann – auf das Hauptverb ἤνεγκεν. Zudem geht dieses
Verständnis offenbar davon aus, dass καὶ ιἠνα am Anfang von Vers 23
parataktisch zum Partizip θε÷λων (und das και/ dem entsprechend als
Kopula) aufzufassen ist, wobei das Partizip θε÷λων dem και« ἵνα γνωρίσῃ
… nebengeordnet und beide Teile in gleicher Weise dem Hauptverb
untergeordnet wären.24 Auch das ist m.E. sehr unwahrscheinlich.25
Bei diesem Verständnis muss die Syntax ungelöst bleiben. Zudem
übergeht man dabei offensichtlich zum großen Teil den Hauptsatz, auf
den sich dann das ει˙ beziehen müsste, und konzentriert sich zu einseitig
auf die Nebensätze. Im Grunde genommen müsste der Sinn des Textes in
dem Fall ungefähr folgendermaßen verstanden werden: „Wenn Gott … die
Gefäße des Zorns in großer Langmut ertragen hat, … [so hat er ein Recht
darauf].“ Und dieses „Recht“ hätte er dann, „damit er den Reichtum
seiner Herrlichkeit kund tue …“. Inhaltlich zwar richtig, dass Gott dieses
„Recht“ hat, aber darum geht es im Text kaum.
Eine andere Möglichkeit ist, den Hauptsatz in Vers 22, der mit ει˙
δε/ eingeleitet wird, als einen gewissen Konditionalsatz zu verstehen,
jedoch nicht als Fragesatz, sondern als Aussagesatz26, wobei allerdings
das ει˙ „wenn“ – ähnlich wie ε˙πει/ „da, weil“ – eher im kausalen Sinn
(„Da Gott … ertragen hat“) aufzufassen wäre (wie überhaupt bei einem
22
Vgl. z.B. W. Haubeck/H. von Siebenthal, Neuer sprachlicher Schlüssel zum griechi-
schen Neuen Testament, Bd. 2: Römer – Offenbarung (TVG), Gießen: Brunnen, 1994, 31;
M. Zerwick/M. Grosvenor, A Grammatical Analysis of the Greek New Testament, Roma:
Istituto Biblico, 3. Aufl. 1988, 480; B. J. Oropeza, Paul and Theodicy: Intertextual Thoughts
on God‘s Justice and Faithfulness to Israel in Romans 9–11, in: NTS 53 (2007), (57-80) 69;
Dunn, Romans 9–16, 566; Kühl, Römer, 332. Calvin versteht ει˙ δε/ im Sinn von Quid autem
si? „Was aber, wenn?“ (Calvin, Römer 2, 504).
23
Nach Passow wird ει˙ nur dann in Verbindung mit einem Partizip gebraucht, „wenn
das Partic. mit Auslassung der erforderlichen Form von ει•ναι an der Stelle eines mod.
finit. gesetzt ist …“ (Passow, Handwörterbuch II/1, 781). Im Neuen Testament folgt der
Wendung ει˙ δε/ nur in Gal 2,17 direkt ein Partizip, wobei die Wendung ebenfalls nicht auf
das Partizip, sondern auf das Hauptverb zu beziehen ist.
24
Vgl. z.B. Haubeck/Siebenthal, Sprachlicher Schlüssel II, 31.
25
Vgl. auch z.B. Schreiner, Romans, 522. και/ wird in Vers 23 u. a. vom Kodex B ausge-
lassen. Auch wenn es ursprünglich ist (wovon wir ausgehen können), so dient es an dieser
Stelle kaum als Kopula, sondern vielmehr als Verstärkung (vgl. dazu weiter unten).
26
So z.B. Kühl, Römer, 334; K. Haacker, Der Brief des Paulus an die Römer (ThHK
6), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2. Aufl. 2002, 196; A. Nygren, Der Römerbrief,
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 3. Aufl. 1959, 267; E. W. Stegemann, Israels Rolle im
apokalyptischen Weltentwurf des Römerbriefes, in: ders., Paulus und die Welt. Aufsätze –
ausgewählt und hrsg. v. Ch. Tuor/P. Wick, Zürich: TVZ, 2005, (203-219) 216.