Nils Neumann, «Bewegungen im Dreieck: Heil als Begegnung im erzählten Raum des lukanischen Sonderguts.», Vol. 97 (2016) 375-394
The Lukan Sondergut develops its soteriology by narrating encounters inside a triangular spatial structure. Several important pericopae make use of a recurring scheme: salvation takes place in the encounter between the sinner and Jesus/God. The Pharisees who distance themselves therefrom are called upon to learn a lesson from the sinners and to share in the joy that results from the return of the lost one.
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und etablieren diese innerhalb des Erzählverlaufs. Mit der terminolo-
gie, die Jurij M. Lotman zur Analyse erzählter räume vorschlägt, lässt
sich hier von einer „Grenze“ sprechen, die die zöllner und Sünder vom
bereich Gottes bzw. Jesu separiert 13. interessant ist Lotmans theorie
deshalb, weil sie deutlich macht, dass Erzähltexte oftmals räumliche
Merkmale dazu nutzen, um Sachverhalte und Dynamiken auszudrü-
cken, denen nicht unbedingt eine primär räumliche Qualität eignet 14.
Diese Marker des erzählten raumes treten häufig in Form von gegen-
sätzlichen Paaren auf 15. hinsichtlich der hier diskutierten lukanischen
textabschnitte ließe sich die räumliche Grenze zwischen zöllnern/Sün-
dern und Gott/Jesus vor dieser Folie als Grenze zwischen der Sphäre
der Sünde und der Sphäre Gottes begreifen, die unter normalen bedin-
gungen undurchlässig ist 16.
Während eine solche bemerkung von der Distanz zwischen den Fi-
guren A und b in der Episode von der Salbung durch die Sünderin fehlt,
wird sie im Gleichnis vom verlorenen Sohn besonders ausführlich aus-
gestaltet: Der jüngere Sohn reist (avpedh,mhsen) dort zunächst in ein fernes
Land (15,13: eivj cwra.n makra,n), nachdem er sich sein Erbteil hat aus-
händigen lassen. Dieser Entfernung entspricht die haltung des Vaters,
von dem es später heißt, dass er den Sohn schon aus der Ferne kommen
sieht (15,20: makra,n) 17. Die initiative geht zunächst vom Sohn aus, der
eine vom Vaterhaus weg verlaufende bewegungsrichtung einschlägt.
Erst aufgrund der unzufriedenheit des Sohnes in der Ferne kommt
es anschließend zu einer umkehrung der richtung (15,20).
in 17,12 wird eine Entfernung zwischen Jesus und den zehn Aussät-
zigen bereits vorausgesetzt. Mutmaßlich aufgrund ihrer Krankheit hal-
ten sich die Männer in einiger Entfernung von Jesus auf (po,rrwqen) 18.
Die Nachsilbe -qen gibt dabei Aufschluss über ihre räumliche Orien-
tierung 19: Der blick ist auf Jesus hin ausgerichtet. Auf ihre bitte um
13
Vgl. J.M. LOtMAN, Die Struktur literarischer Texte (München 41993) 300-
401. Vgl. dazu auch u.E. EiSEN, Die Poetik der Apostelgeschichte. Eine narrato-
logische Studie (NtOA 58; Göttingen 2006) 127-130; WürzbAch, „Erzählter
raum“, 119-121.
14
Vgl. LOtMAN, Struktur, 313.
15
Vgl. LOtMAN, Struktur, 337.
16
Vgl. dazu LOtMAN, Struktur, 327.
17
So auch LANDMESSEr, „rückkehr“, 252.
18
Vgl. W. EcKEY, Das Lukasevangelium unter Berücksichtigung seiner Par-
allelen, 2 bde. (Neukirchen-Vluyn 2004), hier bd. ii, 737.
19
Vgl. dazu F. bLASS – A. DEbruNNEr, Grammatik des neutestamentlichen
Griechisch, bearbeitet von F. rEhKOPF (Göttingen 161984) §104.