Nils Neumann, «Bewegungen im Dreieck: Heil als Begegnung im erzählten Raum des lukanischen Sonderguts.», Vol. 97 (2016) 375-394
The Lukan Sondergut develops its soteriology by narrating encounters inside a triangular spatial structure. Several important pericopae make use of a recurring scheme: salvation takes place in the encounter between the sinner and Jesus/God. The Pharisees who distance themselves therefrom are called upon to learn a lesson from the sinners and to share in the joy that results from the return of the lost one.
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– die begegnung zwischen Jesus und zachäus (19,1-10): A. Jesus,
b. der zöllner zachäus, c. „Sie“.
Eine ganz ähnliche handlungsstruktur findet sich außerdem auch
in den Gleichnissen vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) und
vom reichen Mann und armen Lazarus (16,19-31). Auf diese Stellen
wird darum im Folgenden gelegentlich flankierend zu verweisen sein.
Die hier genannten Gleichnisse decken sich damit mit der Liste der lu-
kanischen a;nqrwpo,j-tij-Gleichnisse nach Sellin 12.
ii. Die Distanz der Sünder
Die rede von einem „dramatischen Dreieck“ könnte zu der Vor-
stellung verleiten, dass es sich hierbei um ein statisches Gebilde handle,
ein gleichseitiges Dreieck von konstanter Kantenlänge. So verhält es
sich jedoch ganz und gar nicht. Vielmehr befindet sich das Dreieck in
bewegung. Die Figuren interagieren miteinander, nähern sich einander
an oder entfernen sich voneinander. Dass sich das lukanische Sondergut
zur Darstellung dieser interaktionen räumlicher termini bedient, ver-
wundert auf den ersten blick wenig. Die Gleichförmigkeit und der
Nachdruck, mit denen dies geschieht, ist aber dennoch auffällig und
lässt darauf schließen, dass die bewegungen im Dreieck auf einer ve-
ritablen raumkonzeption des lukanischen Sonderguts basieren. Wie
nun gezeigt werden soll, spiegelt diese Strukturierung des erzählten
raumes letztlich eine soteriologische Grundüberzeugung wider.
Die zu behandelnden Szenen setzen zunächst häufig eine Situation
der Ferne zwischen den Eckpunkten A und b des Dreiecks voraus.
Diese Distanz erfährt in den einzelnen textabschnitten unterschiedliche
erzählerische Ausgestaltung; auffällig ist dabei aber das mehrfache Vor-
kommen der Vokabeln makra,n (15,13.20) und makro,qen (18,13) bzw.
po,rrwqen (17,12), die die Ferne explizit als solche benennen. Ähnlich
verhält es sich mit der Verwendung von makro,qen in Lk 16,23. Dort
beschreibt die Vokabel allerdings am Ende des Gleichnisses die Ferne
der Figur c von den Figuren A und b, welche sich in räumlicher Nähe
zueinander befinden. Durch den Gebrauch dieses Vokabulars an ent-
scheidenden Stellen reflektieren die texte eine räumliche trennung
12
SELLiN, „Lukas“ i, 184-185. Die narrativen Parallelen zwischen den Gleich-
nissen in Lukas 15 und der zachäus-Episode (19,1-10) arbeitet auch inselmann
ausführlich heraus: A. iNSELMANN, Die Freude im Lukasevangelium. Ein beitrag
zur psychologischen Exegese (WuNt ii/322; tübingen 2012) v.a. 330-338.