Nils Neumann, «Bewegungen im Dreieck: Heil als Begegnung im erzählten Raum des lukanischen Sonderguts.», Vol. 97 (2016) 375-394
The Lukan Sondergut develops its soteriology by narrating encounters inside a triangular spatial structure. Several important pericopae make use of a recurring scheme: salvation takes place in the encounter between the sinner and Jesus/God. The Pharisees who distance themselves therefrom are called upon to learn a lesson from the sinners and to share in the joy that results from the return of the lost one.
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Der „verlorene Sohn“, dessen Entfernung vom Vaterhaus zuvor be-
schrieben worden war, fasst in der Ferne den beschluss, zum Vater zu-
rückzukehren: Er steht auf, um loszugehen (15,18: avnasta.j poreu,somai 27;
vgl. auch V. 20: h=lqen). Das lukanische Lieblingsmotiv der meta,noia
fehlt im rahmen dieses Gleichnisses. Jedoch macht der Kontext deut-
lich (vgl. Lk 15,7.10), dass der Evangelist auch das Verhalten des jün-
geren Sohnes als Ausdruck der umkehr verstanden wissen will 28. Der
Vater seinerseits läuft dem Sohn entgegen (V. 20: dramw,n). Er umarmt
und küsst 29 ihn aufgrund innerer bewegung (splagcni,zomai) 30. Danach
gibt der Vater den bediensteten die Anweisung, den Sohn mit Gewand,
ring und Sandalen auszustatten (V. 22); ein Festessen soll zubereitet
werden. Die haltung der Freude motiviert den Vater dazu, sich in der
beschriebenen Weise zu verhalten, und er ruft die umstehenden auch
zur Mitfreude auf (VV. 23.24: euvfrai,nw; vgl. auch V. 32). Das Fest fin-
det im bzw. beim haus statt (V. 25: oivki,a).
Nur ein einziger der zehn vom Aussatz geheilten Männer kehrt zu
Jesus zurück (17,15-16). Erst mit dieser Wendung des Geschehens er-
gibt sich eine binnendifferenzierung innerhalb der Gruppe der Geheil-
ten: Während von neun Männern keine weitere reaktion berichtet
wird, macht sich einer auf den Weg zurück zu Jesus. Durch die Ver-
wendung des Worts u`pe,streyen (V. 15) reflektiert der text den rich-
tungswechsel des Einen ausdrücklich 31. Dieser wendet sich nun mit
verschiedenen Äußerungen an zwei Adressaten: zunächst lobt er laut-
hals Gott (V. 15), und sodann sucht er den Kontakt zu Jesus (V. 16).
Da Jesus nicht namentlich neu eingeführt wird, könnte man auch an-
nehmen, dass sich die Pronomina V. 16 an V. 15 anschließen, und hier
nach wie vor Gott im Fokus sei. Doch die räumliche Angabe para.
auvtou/ sowie der weitere Verlauf der Szene machen deutlich, dass es
hier bereits um eine interaktion des Geheilten mit Jesus geht. Da sich
27
zu der Formulierung vgl. bOVON, Evangelium iii, 48.
28
Vgl. dazu auch LANDMESSEr, „rückkehr“, 244 und insbes. 257.
29
EcKEY, Lukasevangelium ii, 690 versteht den Kuss als Ausdruck der
Versöhnung.
30
zu dieser Formulierung vgl. auch LANDMESSEr, „rückkehr“, 252-253. Es
handelt sich um eine Lieblingsvokabel des Lukasevangeliums. Vgl. die Liste bei
EcKEY, Lukasevangelium ii, 689; ferner bOVON, Evangelium iii, 49; iNSELMANN,
Freude, 250.
31
zum Gebrauch von u`postre,fw bei Lukas vgl. insbes. auch F.J. GAiSEr,
„‘Your Faith has Made You Wellʼ: healing and Salvation in Luke 17:12-19“,
W&W 16 (1996) 291-301, 294, Anm. 10. Vgl. ferner O. GLOMbitzA, „Der dankbare
Samariter (Luk. xvii 11-19)“, NovT 11 (1969) 241-246, 244.