Nils Neumann, «Bewegungen im Dreieck: Heil als Begegnung im erzählten Raum des lukanischen Sonderguts.», Vol. 97 (2016) 375-394
The Lukan Sondergut develops its soteriology by narrating encounters inside a triangular spatial structure. Several important pericopae make use of a recurring scheme: salvation takes place in the encounter between the sinner and Jesus/God. The Pharisees who distance themselves therefrom are called upon to learn a lesson from the sinners and to share in the joy that results from the return of the lost one.
376 NiLS NEuMANN
und Distanz 6 im erzählten raum gefragt und nachgezeichnet, wie diese
Darstellungsmittel das erzählte Geschehen qualifizieren und letztlich
die theologische Konzeption des Markusevangeliums widerspiegeln.
Auf diesen Einsichten aufbauend hat Klumbies später auch die luka-
nische Schilderung der Passion und Auferstehung Jesu hinsichtlich
ihrer raumkonzeption untersucht 7. in der vorliegenden Studie soll
nun gezeigt werden, dass der Kategorie des raumes nicht erst am Ende
des Lukasevangeliums eine hohe relevanz zukommt, sondern dass sich
der von Klumbies verfolgte Ansatz sehr sinnvoll auch auf die der
Passion vorausgehende Erzählung des Lukasevangeliums ausdehnen
lässt. Dabei werden im Folgenden insbesondere einige Passagen des
sogenannten lukanischen „Sonderguts“ auf ihre raumkonzeption hin
untersucht werden.
i. Das „dramatische Dreieck“
Von den Gleichnissen des lukanischen Sonderguts hat bereits Ger-
hard Sellin gezeigt, dass dort eine spezielle handlungsstruktur häufig
vorkommt, die es so bei den anderen Synoptikern kaum gibt. Sellin
bezeichnet diese narrative Konstellation als „dramatisches Dreieck“,
da sie sich durch die interaktion dreier typischer handlungsträger aus-
zeichnet 8. An den Eckpunkten der basis des Dreiecks stehen zwei Fi-
guren einander als „antithetisches zwillingspaar“ gegenüber, während
die Spitze des Dreiecks von einer „Autorität“ besetzt ist, welche mit
den beiden zwillingen interagiert. Als beispiel verweist Sellin auf die
„Skizze“ eines Gleichnisses aus Lk 7,41-43: Die beiden unterschiedlich
agierenden Schuldner bilden das antithetische zwillingspaar, während
der Gläubiger als Autorität fungiert. Wegen ihrer wiederkehrenden Ein-
leitungs-Wendung bezeichnet Sellin solche Abschnitte des lukanischen
Sonderguts als a;nqrwpo,j-tij-Gleichnisse 9.
6
Vgl. KLuMbiES, „Weg vom Grab!“, 159-160; DErS., „Konzept“, 105; DErS.,
„raumverständnis“, 38.
7
Vgl. KLuMbiES, „Sterben“, pass.; vgl. außerdem DErS., „Weg vom Grab!“,
pass.
8
Vgl. G. SELLiN, „Lukas als Gleichniserzähler“, ZNW 65 (1974) 166-189 und
66 (1975) 19-60, hier teil i, 179-185, insbes. 180. Aufgegriffen wird dieses Muster
beispielsweise im Gleichnis-buch von harnisch: W. hArNiSch, Die Gleichniser-
zählungen Jesu (Göttingen 42001) 29-32.
9
SELLiN, „Lukas“ i, 185. Vgl. dazu auch r. VON bENDEMANN, „Liebe und Sün-
denvergebung. Eine narrativ-traditionsgeschichtliche Analyse von Lk 7,36-50“,
BZ.NF 60 (2000) 161-182, 174.