Armin D. Baum, «Biographien im alttestamentlich-rabbinischen Stil. Zur Gattung der neutestamentlichen Evangelien», Vol. 94 (2013) 534-564
The New Testament Gospels exhibit an amalgam of biographical genre elements from Greco-Roman cultivated literature (Hochliteratur) and popular literature ('Kleinliteratur'), Old Testament historiography, and rabbinic literature. They display the least affinity with the erudite Bioi of Greco- Roman Hochliteratur (pace R. Burridge). Similarities with Greco-Roman popular lives are more evident. But M. Reiser’s thesis that the Gospels were influenced to an even greater degree by the biographical sections of Old Testament history books can be further strengthened. In addition, it is possible to demonstrate close affinities between the Gospels and the biographical components of rabbinic literature. Overall the four New Testament Gospels can be characterized as biographies of Jesus in Old Testament and Rabbinic style with comparatively slight Greco-Roman influences.
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seien. Für Bultmanns Gattungsbestimmung war der (mythische)
Inhalt der Evangelien wichtiger als ihre literarische Gestalt.
Diese Sui generis-Hypothese hat in der neutestamentlichen Ein-
leitungswissenschaft lange nachgewirkt. Sie wurde von Werner
Georg Kümmel in seiner Einleitung übernommen. Die Evangelien
sind, “als literarische Form angesehen, eine Neuschöpfung†5. Philipp
Vielhauer urteilte, die Evangelien seien “ein literarisches Unikum
ohne Vorgänger†6. Udo Schnelle meint zwar, von den “vergleichba-
ren Textsorten steht die hellenistische Biographie der Form des Evan-
geliums am nächstenâ€. Dennoch sei, vor allem aus inhaltlichen
Gründen, “das Evangelium eine Gattung sui generis, die keiner Ober-
gattung zugeordnet werden kann†7. Auf diesem Hintergrund ist eine
Beobachtung Albrecht Dihles zu verstehen, die er 1983 notierte:
“Jeder Theologiestudent wird schon im ersten Semester davor ge-
warnt, die vier kanonischen Evangelien als Lebensbeschreibungen
Jesu, als Biographien zu lesen†8.
In der jüngeren Evangelienforschung ist dieser Konsens von ver-
schiedenen Seiten in Frage gestellt worden (s.u. II-V). Von einigen
Forschern wird die Sui generis-Hypothese jedoch weiterhin vertre-
ten. Eve-Marie Becker ist – in Auseinandersetzung mit Forschern
wie Burridge und Dormeyer (s.u.) – wichtig, das Markusevangelium
nicht als antike Biographie einzustufen 9. Zwar weise es durchaus
“biographische Züge†auf (52), habe jedoch “kein biographisches
Interesse im eigentlichen Sinne†(408). Vor allem verzichte das Mar-
kusevangelium im Unterschied zur antiken Biographie darauf, den
Charakter seiner Hauptperson zu bewerten (65, 300, 411). Daher sei
das Markusevangelium ein Werk sui generis.
5
W.G. KÃœMMEL, Einleitung in das Neue Testament (Heidelberg 211983)
12-13.
6
Ph. VIELHAUER, Geschichte der urchristlichen Literatur (Berlin 1975)
282.
7
U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament (UTB 1830; Göttingen
7
2011) 3.1.
8
A. DIHLE, “Die Evangelien und die griechische Biographieâ€, Das Evan-
gelium und die Evangelien (Hrsg. P. STUHLMACHER) (WUNT 28; Tübingen
1983) 383-413, hier 383.
9
E.-M. BECKER, Das Markus-Evangelium im Rahmen antiker Historio-
graphie (WUNT 194; Tübingen 2006) 64-65.