Dominik Markl, «Hab 3 in intertextueller und kontextueller Sicht», Vol. 85 (2004) 99-108
The investigation of intentional intertextual references carried out in this article is based on the criteria introduced by the Anglicist Manfred Pfister. I arrive at the conclusion that Hab 3 refers to preceding biblical texts: In vv. 3.19 the prophetic prayer alludes to Deut 33 and 2 Sam 22 in order to assume the function of authoritative vicarious prayer, while avoiding martial ideology. If one approaches the book as a whole, Hab 3 stands in antithetical relationship to Hab 1, especially due to the fact that the theophany constitutes a counterattack against the Chaldean offensive described in Hab 1,5-11. This latter text seems to be given the form of a bitter ironical parody of Jer 5,15-17.
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psalmodierenden Königs David auf die Gestalt Habakuks. Gleichzeitig kehrt
sie durch feinfühlige Veränderungen die martialisch-ideologischen Anklänge
beider Referenztexte zu bescheidener Hoffnung auf Sicherheit um (28).
3. Hab 3 als Zieltext des Habakukbuches
Hab 3 nimmt aufgrund der eigenen Ãœberschrift V. 1 und seiner
besonderen Gestalt gegenüber den ersten beiden Kapiteln eine relativ
eigenständige Position ein (29). Gleichzeitig ist der Psalm mit dem
vorangehenden Text auf vielfältige Weise verbunden und erfüllt eine
komplexe Funktion im Buchzusammenhang. Hier scheint mir zunächst das
Verhältnis der Theophanie Hab 3,3-15 zum in Hab 1,5-11 angekündigten
Angriff der Chaldäer von besonderem Interesse. Auch letztere Stelle ist nur
von einigen intertextuellen Gesichtspunkten her gut verständlich, die ich
deshalb zuerst darstelle.
Die stark emphatische (30) Redeeinleitung Hab 1,5 “Hört in den Völkern
und schaut...†zeigt große Ähnlichkeiten zu Jes 52,15–53,1 (31) und Ps 44,2(32).
Jeweils könnte es sich um invertierte Bezugnahmen handeln (33), wobei die
Inversion im ersten Fall gedoppelt erscheint:
! ! ˆymah
Jes 52,15–53,1 µywg war µhl rpsAal rva ym
!
Hab 1,5 µywgb war rpsy yk wnymat al
!
Ps 44,2 wnlAwrps wnytwba µhymyb tl[p l[p
Hab 1,5 rpsy yk wnymat al µkymyb l[p l[pAyk
Während aber in beiden Vergleichstexten erfreuliche “Mitteilungenâ€
(rps) folgen (Jes 53,2-12 bzw. Ps 44,3-9), bringt Hab 1,6-11 eine
Gerichtsansage. Die themasetzende Wendung ynnh + Part. hat bei etwa 125
Vorkommen im Tanach nur fünf Mal (Gen 41,17; Num 24,14; Jer 40,10;
42,4; Dan 8,19) nicht Gott zum Subjekt. Spätestens hier wird dem Hörer
——————
durch seine Autorität als “Zeuge für Jahweâ€; s. G. FISCHER, “Das Mosebild der hebräischen
Bibelâ€, Mose. Ägypten und das Alte Testament (Hg. E. OTTO) (SBS 189; Stuttgart 2000)
84-121, bes. 91-94, 101-104.
(28) Die Bezugnahmen auf jene zwei gegen Ende großer Textkorpora stehenden
Dichtungen scheinen auch Nachdruck auf die Abschlussfunktion von Hab 3 zu legen.
(29) Hab 1–2 ist nach dem Kriterium der Kommunikationsentwicklung gemäß der
Kapitelgrenzen in zwei größere Einheiten strukturiert. Hab 1 besteht aus der Überschrift V.
1 und dem (fiktiven) Dialog VV. 2-4.5-11.12-17, Hab 2 aus dem Monolog V. 1 und der
Antwort JHWHs VV. 2-20, welche die Wehe-Worte VV. 6b-20 in Zitatform einschließt.
Vgl. ANDERSEN, Habakkuk, 15, und mit gewichtiger Argumentation PRINSLOO, “Readingâ€,
520-526.
(30) Siehe besonders die climax ad maius innerhalb der ersten vier Verben (LEIGH,
Habakkuk, 96-98).
(31) Beide Texte betonen die Unglaublichkeit (ˆma hi.) von Erzähltem (rps pu.), das
doch in Völkern (µywg) gesehen (har) werden soll.
(32) Die etymologische Konstruktion mit l[p verbindet die Stellen exklusiv, zusätzlich
die Wurzeln µwy und rps.
(33) Vgl. P.C. BEENTJES, “Discovering a new path of intertextuality: Inverted quotations
and their dynamicsâ€, Literary structure and rhetorical strategies in the Hebrew Bible (Hg.
L.J. REGT – J. WAARD – J.P. FOKKELMAN) (Assen 1996) 31-50.