Ladislav Tichy, «Was hat Zachäus geantwortet? (Lk 19,8)», Vol. 92 (2011) 21-38
The present tense forms di/dwmi and paradi/dwmi in Lk 19,8 are mostly considered as futuristic. Another view interprets them as iterative or customary. In order to discover their right meaning one has to pay attention to signals in the immediate context. The strongest signal is the expression ta\ u/pa/rxonta, which must mean «possessions» or «property». Already from this term the first readers/hearers must have concluded that Zacchaeus wanted to make a decision concerning his future life. Other signals in the context (including the form di/dwmi itself used in last wills) confirm this interpretation.
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WAS ZACHÄUS GEANTWORTET ? (LK 19,8)
HAT
dieser Ãœberzeugung zu gelangen, muss man zuerst aufmerksam auf
die sprachliche Seite achten, d. h. die Bedingungen sehen, unter
denen die verschiedenen Bedeutungen des grammatikalischen
Tempus “Präsens†(sowohl im Allgemeinen als auch konkret im
Griechischen) zu erkennen sind, und dann dies mit der Aussage
von Lk 19,8 und deren Kontext konfrontieren.
I. Das Präsens und seine Bedeutungen
Die zwei verschiedenen Interpretationen der Worte des Zachäus
in Lk 19,8 gehen von zwei verschiedenen Bedeutungen der
Präsensformen dıdwmi und apod¥dwmi aus. Die eine (traditionelle)
¥ ß ı
Auslegung versteht sie als Präsens mit Bezug auf ein zukünftiges
Geschehen und die andere (neuere) als Präsens mit Bezug auf eine
habituelle Tätigkeit. Wenn wir die Verbformen an sich, d. h. ohne
Berücksichtigung des Kontextes, betrachten, sind gewiss beide
Lösungen möglich, weil das Präsens ohne Zweifel die genannten
Bedeutungen ausdrücken kann. In sehr vielen (vor allem indoger-
manischen) Sprachen 7 können wir mindestens vier verschiedene
semantische Bezüge des Präsens unterscheiden: 1) Bezug auf
Gegenwärtiges, 2) Bezug auf allgemein Gültiges, 3) Bezug auf
Zukünftiges, 4) Bezug auf Vergangenes 8. Es ist zwar möglich die
ersten zwei Punkte zusammenzunehmen, so dass dann nur drei
Gruppen unterschieden werden (Gegenwartsbezug, Zukunftsbezug,
Vergangenheitsbezug) 9, aber innerhalb der Gruppe mit dem Bezug
auf Gegenwärtiges kann man jedenfalls wieder gesondert das so
genannte habituelle Präsens unterscheiden 10.
Auch die Grammatiken des neutestamentlichen Griechisch
belegen bei dem griechischen Präsens all diese Bedeutungen,
Es gibt sicherlich Unterschiede von Sprache zu Sprache in der Häufig-
7
keit der Verwendung der einzelnen Bedeutungen des Präsens. So z. B. kommt
die futurische Bedeutung des Präsens im Deutschen viel häufiger vor als in
den romanischen Sprachen.
So Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache (Mannheim
8
1998) 147-148.
6
So die neueste Ausgabe der Dudengrammatik: Die Grammatik. Unent-
9
behrlich für richtiges Deutsch (Mannheim 82009) 505-507.
Vgl. z. B. E. HENTSCHEL – H. WEYDT, Handbuch der deutschen Gram-
10
matik (Berlin – New York 32003) 97.