Ulrich Berges, «Der Zorn Gottes in der Prophetie und Poesie Israels auf dem Hintergrund altorientalischer Vorstellungen», Vol. 85 (2004) 305-330
The theme of divine anger is not peripheral to Yhwh’s
revelation of himself but central to it (cf. inter alia Exod 34,6-7).
When the instances of Yhwh’s anger in the OT, particularly in the writing
prophets and the Psalms are compared with instances of the anger of the gods in
the ancient Near East, four categories can be distinguished: a) the anger that
seeks to destroy mankind; b) the anger that intervenes in the destiny of
peoples; c) the anger that destroys temple cities with their sanctuaries; d) the
anger that plunges the individual into danger of death. The OT speaks of Yhwh’s
anger on many different levels, which demands a portrayal that is much more
nuanced than has been the case up to now and represents a continuing challenge,
not least for the reflection of biblical theology.
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positive Ausblick, was sich damit erklärt, dass sie für den Wieder-
aufbau zerstörter Stadt- und Tempelmauern komponiert waren und bei
der baulichen Restauration rezitiert wurden.
Ohne auf die Problematik der traditionsgeschichtlichen Verbin-
dungen zu den biblischen Klageliedern näher einzugehen (57), ist die
thematische Nähe frappant. Hier ist es die Schutzgottheit Jerusalems,
JHWH selbst, die die Vernichtung von Stadt und Tempel in seinem
Zorn vollzieht.
Ach, wie umwölkt in seinem Zorn der Herr die Tochter Zion.
Er warf vom Himmel zu Boden die Zierde Israels
und gedachte nicht seiner Füße Schemel
am Tage seines Zornes (Klgl 2,1).
Wiederum ergeben sich wesentliche Unterschiede zur altorienta-
lischen Umwelt.
Von einer Restauration von Stadt und Tempel oder von der
Rückkehr der Gottheit fehlt in Klgl jede Spur. Es ist gerade die
anhaltende Gottesferne, unter der der Einzelne (Klgl 3) und die
Gemeinschaft (Klgl 5,22) leiden. Der positive Ausblick und das “es ist
genug†der zürnenden Gottheit findet sich nicht in Klgl, sondern erst
in Deuterojesaja (Jes 40,1-2) (58).
Die Rolle der klagenden Gottheit in den sumerischen Stadtunter-
gangsklagen ist im Buch der Klagelieder auf Zion/ Jerusalem als Stadt
und Frau übertragen (vgl. Klgl 1,18-22). Ihre Klage steigert sich zur
Anklage JHWHs wegen seines brutalen und schonungslosen
Vorgehens gegen ihre unschuldigen Kinder und den Rest der Bevölke-
rung (Klgl 2,20-22) (59). Sie bittet nicht um Errettung, Vergebung oder
Hilfe, sondern verlangt von JHWH, er solle die Folgen seines
grauenvollen Tuns anschauen. Die Situation gleicht der einer
Gegenüberstellung des Gewalttäters mit seinem Opfer, durch die dem
Täter die Schwere seiner Tat bewusst werden soll: “Sieh und schau her,
wem (yml) du solches angetan!†Das Verb ll[ “handeln, antunâ€
verweist auf die Opfer, nämlich die Kinder (µyllw[). Der Mord an
(57) Die Diskussion zusammenfassend, BERGES, Klagelieder, 46-52.
(58) Zur Frage nach einer ursprünglichen Bücherfolge Protojesaja - Jeremia +
Klgl + Deuterojesaja, siehe E. BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen von Jesaja 1-39
im Zwölfprophetenbuch. Untersuchungen zur literarischen Verbindung von
Prophetenbüchern in babylonischer und persischer Zeit (OBO 154; Fribourg
1997) 450-464.
(59) Zur Ãœbersetzung und Interpretation von Klgl 2, siehe BERGES,
Klagelieder, 124-167.