Ulrich Berges, «Der Zorn Gottes in der Prophetie und Poesie Israels auf dem Hintergrund altorientalischer Vorstellungen», Vol. 85 (2004) 305-330
The theme of divine anger is not peripheral to Yhwh’s
revelation of himself but central to it (cf. inter alia Exod 34,6-7).
When the instances of Yhwh’s anger in the OT, particularly in the writing
prophets and the Psalms are compared with instances of the anger of the gods in
the ancient Near East, four categories can be distinguished: a) the anger that
seeks to destroy mankind; b) the anger that intervenes in the destiny of
peoples; c) the anger that destroys temple cities with their sanctuaries; d) the
anger that plunges the individual into danger of death. The OT speaks of Yhwh’s
anger on many different levels, which demands a portrayal that is much more
nuanced than has been the case up to now and represents a continuing challenge,
not least for the reflection of biblical theology.
310 U. Berges
1. Der die Menschheit zu vernichten suchende Zorn der Götter
Im altbabylonischen Atramchasis-Mythos (19.-17. Jhd. v. Chr.) (25)
führt der Sturmgott Enlil eine Allianz aufgebrachter Götter an, die sich
durch die stark vermehrte und die nächtliche Ruhe störende
Menschheit belästigt fühlt. Erst wird versucht, die Menschheit durch
Strafmaßnahmen zu dezimieren, um sie schließlich durch eine
gewaltige Flut zu vernichten.
[Enlil hörte] nun ihr Geschrei;
[er sprach] zu den großen Göttern:
[>>Zu lästig wurde mir] das Geschrei der Menschen;
[infolge ihres lauten Tuns] entbehre ich den Schlaf.
[Gebt Befehl, daß ein Käl]tefieber aufkomme. (Taf. I, Z. 356-360)
Nur durch die trickreiche Hilfe und Unterstützung des Gottes Enki
rettet sich der Flutheld Atramchasis (“der an Weisheit Ãœbergroßeâ€) mit
Tieren und seiner Familie aus der Flutkatastrophe. Damit Enlil nichts
bemerken soll, spricht Enki nicht direkt zu Atramchasis, sondern
durch die dünne Wand einer Schilfhütte:
[Enki] tat seinen Mund auf
und sprach zu seinem Diener…
‘Wand, höre gut hin auf mich;
Schilfhütte, merke dir alle meine Worte!
Trenn dich von deinem Haus, baue ein Schiff!
verschmähe den Besitz, erhalte dafür dein Leben!’
(Taf. III, Kol. I Z. 15-24)
Gerade noch rechtzeitig vor dem Losbrechen der Naturgewalten
wird die rettende Arche fertig gestellt:
Des Tages Aussehen änderte sich;
(denn) mit einem Mal brüllte Adad in den Wolken.
Des Gottes Stimme hörten sie;
da ward das Erdpech gebracht, daß er die Tür abdichte.
Als er ihre Tür verriegelt hatte,
brüllte Adad in den Wolken.
Der Wind tobte bei seinem Aufbruch;
da zerschnitt er (=Atramchasis) das Tau (und) legte das Schiff ab.
(Taf. III, Kol. II Z. 48-55)
Die Auswirkungen der Flut sind so verheerend, dass es die Götter
selbst, allen voran die Muttergöttin Nintu/ Mami, mit der Angst zu tun
bekommen und ihren Vernichtungsbeschluss bedauern:
(25) Einleitung und Übersetzung von W. VON SODEN, “Der altbabylonische
Atramchasis-Mythosâ€, TUAT III/4 (Gütersloh 1994) 612-645.