Ulrich Berges, «Der Zorn Gottes in der Prophetie und Poesie Israels auf dem Hintergrund altorientalischer Vorstellungen», Vol. 85 (2004) 305-330
The theme of divine anger is not peripheral to Yhwh’s
revelation of himself but central to it (cf. inter alia Exod 34,6-7).
When the instances of Yhwh’s anger in the OT, particularly in the writing
prophets and the Psalms are compared with instances of the anger of the gods in
the ancient Near East, four categories can be distinguished: a) the anger that
seeks to destroy mankind; b) the anger that intervenes in the destiny of
peoples; c) the anger that destroys temple cities with their sanctuaries; d) the
anger that plunges the individual into danger of death. The OT speaks of Yhwh’s
anger on many different levels, which demands a portrayal that is much more
nuanced than has been the case up to now and represents a continuing challenge,
not least for the reflection of biblical theology.
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Vielzahl von Theologen und Exegeten (88) — dem Vorwurf, einseitig
verkürzt nur die positiven Seiten der Gottesbeziehung zu präsen-
tieren (89). Dies muss der theologischen Reflexion eine Warnung sein,
nicht überaffirmativ von der Liebe Gottes im Sinne eines “lieben
Gottes†zu reden und so das biblische Gottesbild zu verharmlosen und
auszuhöhlen (90).
Gegen Markion, den Häretiker des 2. Jhds nach Chr., und gegen
den vielerorten latent anwesenden Markionismus ist der “Gott des
Zornesâ€, der unter anderen Vorzeichen auch im NT begegnet (91), nicht
gegen den “Gott der Liebe†auszuspielen. Nicht, dass Zorn und Liebe
in JHWH gleichermaßen oder gar willkürlich zum Zuge kämen, was
die sog. Gnadenformel ja kategorisch ausschließt (92), aber auch nicht
so, als ob der göttliche Zorn nur eine bittere Träne im Meer göttlicher
Liebe sei.
Wenn es zutrifft, dass man vom Zorn Gottes nicht unter Absehung
von seiner Gnade sprechen kann (93), so gilt auch das Umgekehrte,
dass man nicht von der Gnade Gottes reden sollte, ohne die Rede vom
göttlichen Zorn mitzubedenken. Die Vorstellung vom Zorn Gottes, der
den Einzelnen völlig überraschend und schuldlos trifft, gehört zu einer
Erfahrungswirklichkeit, die auch Beterinnen und Betern in nachbib-
lischen Epochen keineswegs fremd ist (94). In dramatischer Weise wird
(88) Vgl. BALOIAN, Anger, 177: “The experience of Yahweh’s anger was a
blessingâ€.
(89) Mit BRUEGGEMANN, Theology, 379: “That is, Israel refuses to subject its
life to any ideology, but resolves to tell the truth, even when that truth-telling is
damaging to Yahweh’s reputation and characterâ€.
(90) Zu den religionspädagogischen Folgen, siehe R. OBERTHÜR, Angst vor
Gott? Über die Vorstellung eines strafenden Gottes in der religiösen Entwicklung
und Erziehung (Essen 1986); vgl. I. SCHOBERTH, “Kein bloß ‘lieber Gott’. Die
Verharmlosung der Gottesrede als Problem der Praktischen Theologieâ€, ZNT 9
(2002) 60-66.
(91) M. THEOBALD, “Zorn Gottes. Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt der
Theologie des Römerbriefsâ€, Studien zum Römerbrief (WUNT 136; Tübingen
2001) 68-100; V.A. LEHNERT, “Wenn der liebe Gott “böse†wird - Überlegungen
zum Zorn Gottes im Neuen Testamentâ€, ZNT 9 (2002) 15-25.
(92) SCORALICK, Güte, 129 zu Ex 34,6-7: “Die Gottesprädikationen versuchen
einen Mittelweg zwischen den Extrempositionen zu steuern. JHWH ist in seinem
Verhalten nicht berechenbar, aber er ist verläßlich treu auch über Brüche
hinwegâ€.
(93) H. SPIEKERMANN, “Gnade. Biblische Perspektivenâ€, ID., Gottes Liebe zu
Israel, 26.
(94) Siehe M. SCHNEIDER, “Der dunke Gott in der Mystikâ€, Gott – ratlos vor
dem Bösen?, 173-216.