Matthias Ederer, «Der Erstgeborene ohne Erstgeburtsrecht. 1 Chr 5,1-2 als Schlüsseltext für die Lektüre von 1 Chr 5,1-26», Vol. 94 (2013) 481-508
The genealogy in 1 Chr 5,1b-2 refers to the saying on Reuben in Gen 49,3-4 and its literary context, Genesis 48–49. In this way it defines the relationship between the three sons of Jacob (i.e. the tribes) Reuben, Joseph, and Judah. While Reuben’s status as firstborn is described with the use of a mere chronological 'before', he himself is characterized by the significant loss of his prerogatives. This description of Reuben sets the tone for what is said about the Eastern tribes (1 Chr 5,3-26), in the history of which an ephemeral conquest made by Reuben (only) in the East (cf. 1 Chr 5,10.18- 22) precedes a (permanent) exile of these tribes (cf. 1 Chr 5,6.25-26).
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gat-Pilneser, der König von Assur, in die Verbannung geführt hatâ€
(vgl. V. 6aR). Das Exil wird somit als Endpunkt der genealogischen
Entfaltung Rubens bestimmt. Damit korrespondiert die Zeitangabe
hlgh-d[ (“bis zum Exilâ€) in V. 22c, die das Exil als Schlusspunkt
der Ansiedlung der Stämme in den Gebieten östlich von Gilead aus-
weist. Die im Hagariterkrieg erreichte Konsolidierung und Ausdeh-
nung der Siedlungsgebiete der Stämme im Osten erfährt also eine
klare Befristung.
Ihren Höhepunkt erreicht die Exilsthematik in 1 Chr 5,25-26. Hier
wird von der — offensichtlich vollständigen — Verschleppung der drei
ostjordanischen Stämme berichtet (V. 26), die (theologisch) mit deren
Untreue gegenüber JHWH begründet wird (V. 25). Im Durchgang durch
den Text von 1 Chr 5,1-26 ergibt sich somit eine erkennbare Steige-
rung: Exilierung Beëras (V. 6) — Exil als Befristung der Ansiedlung
östlich von Gilead (V. 22) — vollständige Exilierung der drei Stämme
(V. 26). Gleichzeitig erweist sich die Exilsthematik als ein Leitmotiv
von 1 Chr 5,1-26, was insofern auffällig ist, als das Exil in der Chronik
ansonsten nur eine geringe Rolle spielt 81. So wird das Nomen hlwg,
‘Exil’, im gesamten Geschichtswerk nur ein einziges Mal, eben in
1 Chr 5,22c, verwendet, während das Verb hlg (hiph.), ‘ins Exil füh-
ren’, sieben Mal belegt ist (1 Chr 5,6.26.41; 8,6.7; 9,1; 2 Chr 36,20).
In 1 Chr 9,1; 2 Chr 36,20 kommt die Exilierung Judas durch Ne-
bukadnezzar in den Blick, die — ebenso wie die Exilierung der ost-
jordanischen Stämme — als Strafe für den l[m, die ‘Untreue’ Judas
gegenüber JHWH (vgl. 1 Chr 9,1; 2 Chr 36,14[-16]), interpretiert
wird. Auch 1 Chr 5,41 verweist auf das babylonische Exil Judas,
wenn — innerhalb des Aaroniden-Stammbaums 1 Chr 5,29b-41,
der die “Sukzession†der Hohenpriester nachzeichnet — Jehozadak
ausdrücklich als derjenige Hohepriester vorgestellt wird, den Ne-
bukadnezzar in die Verbannung geführt hat.
Die beiden verbleibenden Belege von hlg (hiph.) in 1 Chr 8,6.7
sind für unseren Zusammenhang von geringerer Relevanz und kön-
nen daher unberücksichtigt bleiben. Sie beschreiben nicht die Exi-
lierung des gesamten Volkes bzw. eines wesentlichen Teils desselben
durch einen fremden Herrscher, sondern thematisieren eine gewalt-
same oder zumindest unfreiwillige Verschiebung von Siedlungsge-
bieten innerhalb des Stammes Benjamin 82.
81
Vgl. DIRKSEN, Chronicles, 143; JAPHET, Ideology, 364-372, 385-386.
82
Näheres dazu vgl. JAPHET, 1 Chronik, 204.