Ulrich Berges, «'Ich gebe Jerusalem einen Freudenboten'
Synchrone und diachrone Beobachtungen zu Jes 41,27», Vol. 87 (2006) 319-337
The references to Zion and Jerusalem (41,27; 44,26.28; 45,13; 46,13) in the
section Isa 40–48 dedicated to Jacob and Israel and which follows the Prologue in
40,1-11, require an explanation because they present the perspective of the return
from the point of view of the Jewish homeland, which for the first time appears
only in Isa 49,14. Synchronically Isa 41,27 interrupts the parallel double structure
of the dispute with the foreign gods in 41,21-24.25-29. Diachronically Isa 41,27
is not attributable to the redactor of the first collection, composed between 539
and 520 BC, but to a more recent hand, which — starting from the first Servant
Song with its expansion and reinterpretation with Darius I in mind — introduces
the perspective of the return into the dispute with foreign gods. JHWH proves his
unique and overpowering sovereignty over history not only with regard to Cyrus
but also to Darius I.
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GKL in 49,1-6 samt seiner Erweiterung in 49,7-12 zurückgreift
(µ[ tyrb in 42,6; 49,8; µywg rwa in 42,6; 49,6; ˚rxaw in 42,6; 49,8;
Thema: “Gefangene aus der Finsternis herausführen†in 42,7; 49,9)
(47). Die Strukturparallele von GKL (42,1-4; 49,1-6) + Erweiterung
(42,7-9; 49,7-12) + hymnisches Responsorium (42,10-12; 49,13)
beruht auf keinem Zufall, sondern setzt eine einheitliche Komposi-
tionstätigkeit voraus, für die die Verfasser der ersten Sammlung in der
Zeit zwischen 539-520 v. Chr. verantwortlich waren (48). Wenn Jes
41,27 mit der Ankündigung eines kollektiven (µnh hnh) Freudenboten
(rcbm) auf synchroner Ebene auch auf den Knecht in Jes 42,1ff
vorausweist, so ist dieser Vers doch auf diachroner Ebene dem ersten
GKL samt seiner Erweiterung nachgeordnet. Was bedeutet dies für die
Auslegung und die diachrone Bewertung des Zion-Jerusalem-Belegs
in 41,27? Zur Beantwortung dieser Frage ist es von großer Bedeutung,
auf wen sich die Erweiterung in 6-7.8-9 mit dem Bindeglied V. 5
ursprünglich bezog, wer also der mit dem von Jhwh Berufenen
gemeint war. Als Kandidaten wurden bislang mehrheitlich entweder
der Gottesknecht (49) oder Kyros (50) genannt. Für den Perser spricht,
dass der weltweite Auftrag zur Befreiung Gefangener aus Finsternis
und Inhaftierung (42,6-7) doch eher zu einem politischen Schwer-
gewicht zu passen scheint als zum Knecht, der seine Stimme ja nicht
laut erklingen lassen soll (42,2). Bestätigt wird dies durch das Thema
der Auseinandersetzung Jhwhs mit den Fremdgöttern, erneut auf der
Basis des Weissagungsbeweises (42,8-9), der auch sonst eng mit
Kyros und seinem Siegeszug verbunden ist (vgl. 41,1-4.21-29; 46,8-
11; 48,12-16).
Doch gibt es auch schwerwiegende Argumente gegen eine
Identifikation mit Kyros, denn wie sollte dieser Völkerbezwinger zum
(47) H. IRSIGLER, Ein Weg aus der Gewalt? Gottesknecht kontra Kyros im
Deuterojesajabuch (Beiträge zur Friedensethik 28; Stuttgart 1998) 20: “Jes 42,5-
9 (wohl literarisch gestuft V. 5-7, V. 8-9) wird daher insgesamt sekundäre
Fortschreibung sein, die den Knecht des ersten Liedes mit jenem des zweiten
Liedes 49,1-6 ineinssiehtâ€.
(48) WERLITZ, Redaktion und Komposition, 277-281; ALBERTZ, Exilszeit, 293-
294.
(49) B. DUHM, Das Buch Jesaia (Göttingen 51968) 313-314; WESTERMANN,
Jesaja, 81-83; Beuken, Jesaja. Deel II A, 119-120; KOOLE, Isaiah 40–48, 211.
(50) ELLIGER, Deuterojesaja, 228-229, SCHOORS, I am God Your Saviour, 266;
MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 252; H.J. HERMISSON, “Voreiliger
Abschied von den Gottesknechtsliedernâ€, TRu 49 (1984) 209-222 (hier 217);
KRATZ, Kyros im Deuterojesaja-Buch, 130-131; BERGES, Jesaja, 344-345.