Thomas J. Kraus, «Ad fontes: Gewinn durch die Konsultation von Originalhandschriften am Beispiel von P. Vindob. G 31974», Vol. 82 (2001) 1-16
By examining only one page of the famous papyrus codex P. Beatty I (P45), namely the recto side of the Vienna Fragment P. Vindob. G 31974, we show that manuscripts possess a relevance that goes beyond the mere reconstruction of the most probable original text of the New Testament when they are considered as unique fingerprints of their age and of the people who produced them. Through precise observations on the fragment itself, in particular of its writing and of the way the page is arranged, we attempt to draw cautious conclusions of a socio-cultural nature to bring into view the people behind P. Vindob. G 31974 by reflecting on its function and purpose, in this way also demonstrating that it is indispensable to consult an original manuscript.
Betrachtung eines Originals herauszustellen. Insbesondere die Beschriftung des Papyrus im weiteren Sinne, d.h. unter Einbeziehung von Buchstabengröße und Schreibkonventionen (z. B. Kurzformen), sowie die Seitengestaltung (z. B. Buchstaben- und Zeilenzahlen) soll hier genügen, um über P. Vindob. G 31974 Rekto8 behutsam sozio-kulturellen Fragestellungen nahe zu kommen9. Zu fragen bleibt also vielmehr, was uns heute der jeweilige Papyrus über die damalige Welt, über die Menschen, die durch ihn hindurch zum Vorschein kommen, erkennen hilft10.
Die Beschränkung auf nur eine Seite ist durch die Beschaffenheit des Fragmentes selbst bedingt. Um eine weitere Schädigung des empfindlichen und über die Jahre in Mitleidenschaft gezogenen Papyrus durch Wenden und Bewegen zu vermeiden, wird auf die Berücksichtigung des Verso verzichtet. Das in dieser Studie angestrebte Ziel wird auch anhand des Rekto erreicht, zumal das Verso keine Phänomene aufweist, die sich nicht auch schon auf dem Rekto finden11, sieht man von dem nomen sacrum p8r8c8 in Zeile 19 Verso ab. Das bedeutet aber keineswegs, dass das Verso für die Erstellung einer umfassenden textkritischen Edition oder einer ausführlichen wie eigenständigen Bearbeitung von P. Vindob. G 31974 selbst zu übergehen wäre12.