Norbert Baumert, «Das Paulinische, Wortspiel Mit krin-», Vol. 15 (2002) 19-64
In 1Kor 11 verwendet Paulus in sechs Versen (11,29-34)
siebenmal ein Derivat der Wurzel krin-,
und keineswegs immer in demselben Sinn. Auch anderswo liebt er
Wortspiele mit diesem Wortstamm, z.B. in Röm 2,1-3,8 oder Röm 14. Die
Lexika bringen eine breite Bedeutungsskala, doch ist zu fragen, ob sie
vollständig ist und immer zutreffend angewandt wird. Der folgende Beitrag
zeigt einige bisher nicht beachtete Nuancen für Paulus auf. Nach einer
kurzen Reflexion über die semantische Struktur (1) folgt eine Diskussion
über‚ diakri/nomai =
zweifeln (?)’ (2), über a)nakri/nein
und andere Komposita (3), dann eine Auflistung und Zuordnung aller
Bedeutungsnuancen in der Paulinischen Verwendung dieser Wortfamilie (4),
so daß schließlich manche seiner Wortspiele in neuem Licht erscheinen (5).
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drängend; als ,Sünder’ sind sie schon offenbar) 1Tim 5,24
- katakri/nw (Passiv:) bestraft werden 1Kor 11,32; Tit 3,11
- kata/krima Bestrafung (Vollzug der Todesstrafe; in die Sterblichkeit
und Hinfälligkeit, den täglichen ,Tod’ gestellt) Röm 5,16.18; 8,1.
5. Wortspiele innerhalb längerer Abschnitte
“Rhetorische Wortfiguren†fungieren nach Lausberg (323) als
„intellektuelle Aufmerksamkeitserregerâ€. Ist nach Volkmann (479f) „die
Wiederholung desselben Wortes mit verschiedener Bedeutung ... im Grun-
de einfach†(traductio; z. B. kri/nw untersuchen - > urteilen - > verurteilen,
vgl. o. 3.7 und 4.1, wo mehrere Belege kurz hintereinander stehen), gibt es
andererseits auch „eine kunstvolle Gegenüberstellung teils gleicher, teils
ähnlicher, teils auch entgegengesetzter Wörter†(Volkmann 466), z.B.
durch geringfügige lautliche Veränderungen, wie das Hinzufügen oder
Austauschen von Präpositionen. Solche „Wortspiele†(Volkmann 479f)
haben wir soeben unter 3.3-5 kennengelernt, etwa in 1Kor: sugkri/nw
(2,13) – a)nakri/nw (2,14f und 4,3f) - diakri/nw (4,7). Noch bunter wird
das Bild, wenn zwischen den diversen Verbformen auch Substantive von
der gleichen Wurzel stehen. Daß Paulus es liebt, mit der Sprache zu
spielen, darauf habe ich verschiedentlich hingewiesen.25 In den folgenden
vier Passagen steigern sich solche Anklänge und Sinnverschiebungen zu
regelrechten , Feuerwerken’ .
Diese Flechtwerke, in denen Paulus mit verschiedenen Nuancen und
Komposita spielt, lassen sich nur in einer neuen Ãœbersetzung wiedergeben,
Denn die Aufdeckung dieser Wortspielzusammenhänge stellt eine Reihe
eingeschliffener Ãœbersetzungsgewohnheiten bei Paulus deutlich in Frage.
Hinzu kommen Veränderungen aufgrund anderer Vorarbeiten (vgl. o.
S.20 Anm. 2). Daher seien die entscheidenden Texte hier neu wiedergege-
ben, und zwar im Fettdruck, mit eingefügten Interpretationshilfen (vgl.
o. S.21 Anm. 3), wobei alle Wörter vom Stamme krin- in Klammern in
Griechisch aufgeführt werden.
5.1 Röm 2,1 - 3,8: ,richten, verurteilen oder verwerfen’?
Der Anschluß von 2,1 an das Vorausgegangene: 1,31„ .. Lieblose, Un-
Vgl. in meinen Arbeiten, z.B. Atf, ChTG, Studien und KuM, jeweils im Sach-
25
register unter „Sprache†und „Wortspielâ€. - Robertson 478: „It is perfectly good
Greek to have this ,playing with paranymous terms’.†- Ferner s. u. 5.2 Anm. 25.
- Im übrigen weisen viele Autoren in diesem Zusammenhang auf „Paronomasieâ€
hin, z.B. Dautzenberg, EWNT I 734f; Synofzik 53.