Hermann-Josef Stipp, «Vier Gestalten einer Totenerweckungserzählung (1 Kön 17,17-24; 2 Kön 4,8-37; Apg 9,36-42; Apg 20,7-12)», Vol. 80 (1999) 43-77
The four successive versions of the story of the raising from the dead in 2 Kgs 4,8-37; 1 Kgs 17,17-24; Acts 9,36-42 and Acts 20,7-12 are very differently constructed narratives, tailored to diverse aims. The Elisha version organises the material as a man of God's struggle to be believed and draws from it a subtle lesson on the relationship between God and man, which shows itself in the figure of the professional mediator. The Elijah version on the contrary emphasises the sovereignty of the wonder worker and so demonstrates the superiority of Elijah over his successor. The Peter version assimilates the wonder worker to the example of Jesus and severs the connection between service and reward. In the Paul version, the raising from the dead exemplifies the saving event of the Eucharistic celebration. These diverse formulations show striking connections between narrative and theological complexity.
Elischa-Fassung sorgsam ausgehoben hatte, wirft die Elija-Fassung beflissen wieder zu. Am Ende steht ein Bekenntnis, das die Leser bei der Hand nimmt und obendrein der Geschichte eine in ihr selbst nicht angelegte Tragweite verleiht.
Der Straffung sind allerdings etliche erzählerischen Reize zum Opfer gefallen, was das erzähltechnische Instrumentarium auf ein bescheidenes Maß reduziert. Perspektivenwechsel sucht man vergebens; wenig Details bremsen den Erzählfluss und stimulieren die Phantasie. Die Auffächerung in klimaktische Erzählschritte, mit der die Elischa-Version das Wunder gezielt verzögerte, entfällt. Ihrer inneren Widersprüche entkleidet, erscheinen die Charaktere flach und eindimensional. Der Lebenswirklichkeit entrückt, bieten sie auch weniger Anreiz zu Einfühlungsversuchen. Zwischen Elija und der Witwe wird kein besonderes Vertrauensverhältnis aufgebaut, das Schaden nehmen und einer ungewissen Restitution entgegengehen könnte. Von emotionaler Betroffenheit, wie bei Elischa mehrfach signalisiert, ist bei Elija nichts zu spüren61. Die Mutter springt schablonenhaft geradewegs vom Protest zur Doxologie. Entfallen sind die Kontrastfiguren, deren Schatten den Protagonisten Kontur verliehen. Mit den erzählerischen Finessen sind freilich auch die theologischen Tiefen geschwunden: In dieser geordneten Welt gibt es kein rätselhaftes Handeln JHWHs und kein Fragezeichen über der Verlässlichkeit des Gottesmanns.
Der reduktive Charakter der Erzählung tritt beispielhaft in der Behandlung der Schuldfrage zu Tage. Obwohl allein die Elija-Fassung die Krise auf eine "Schuld" (Nw( V. 18) zurückführt, ist es ihr offensichtlich nicht um Reflexionen rundum Sünde, Strafe und Vergebung zu tun. Der Rekurs auf ungenannte Vergehen dient ausschließlich dazu, den Notfall unter der Prämisse nachvollziehbaren Gotteshandelns zu rationalisieren. Deshalb wird die "Schuld" weder erläutert noch verhält sich die Frau in irgendeiner Weise zu ihr, sei es durch Bekenntnis, Umkehr oder Buße; sie ersucht den Gottesmann nicht einmal um seine Interzession. Sie entgeht der Strafe, weil Elija ihr Dankbarkeit bezeigt und aus eigenem Antrieb seine Fürbitte in die Waagschale wirft. Damit demonstriert die Geschichte das Ansehen seiner Person vor JHWH, während man Modelle zum Umgang mit Schuld und Strafe darin vergeblich sucht.